Die Dammzollstraße – Historie der Hausnr. 1

Historie Nr. 1 ab 1926/27 davor Grundbuch – Nr. 117a, davor: Parzellennr. 57 (1829), Flurstücknr. 159/ 160/ 161 (1863)

Die Dammzollstraße wurde 1927 noch einmal komplett neu durchnummeriert. Man begann mit Blickrichtung in die Dammzollstr. links mit der Nummer 2 (heutiger Schulhof) fortlaufend links bis zur heutigen Kraftwerksstraße (Nr. 35) und dann auf der rechten Seite wieder komplett zurück bis zur Nummer 70.

Warum man sich 1927 die Vergabe der Nummer 1 offenhielt, kann nur vermutet werden. Vielleicht war man sich mit dem rechten Gebäude (x) auf dem Postplatz bezüglich der Zugehörigkeit noch nicht sicher.

Widmen wir uns also einmal diesem Haus als angenommene Nr. 1:

Postkarte vor 1908 (Ausschnitt), Quelle: Postkartensammlung Lutz Besse

Dazu springen wir zurück ins Jahr 1760, und fangen mal ganz am Anfang an:

Quelle: Historischer Verein zu Peitz (C.Malcherowitz)

Dieser Ausschnitt aus einem Festungsplan von 1760 zeigt die Situation vor Beginn der Festungsaufgabe und der Niederlegung von Wallanlagen. Gut zu erkennen ist von links einlaufend die Dammzollstraße mit Brücke über der Malxe, Richtung der sogenannten Zopfbrücken und dann abbiegend zum Cottbusser Tor (rotes Feld mit Nr. 2).

Unsere Nr 1 ist also Teil des Außenwalles rechter Hand Richtung Cottbusser Tor laufend.

Quelle: Historischer Verein zu Peitz (C.Malcherowitz)

Dieselbe Situation etwa 70 Jahre später (1829) zeigt dieser Kartenausschnitt.

Wir kommen wieder von links über die Dammzollstr und die Malxebrücke, flankieren

links das 1801 erbaute Schützenhaus (siehe Nr. 59) und haben nun komplett aufgefüllte Festungsgräben und abgetragene Wallanlagen. Auf Höhe der ehemaligen Fischteiche (Nr.19 & 20 Plan 1760) hat sich rechter Hand ein Grundstück gebildet, welches wir heute als die „abgerissene Nr. 2“ bezeichnen (Nr. 58 im Plan von 1829).

Dort herum ist das Grundstück Nr. 57 eingezeichnet, und jemand hat handschriftlich den Namen „Dorthenton“ eingetragen. Ebenfalls sehr schön zu erkennen ist das Wohnhaus mit nördlichen Anbau und zwei kleine Nebengebäude. Dieses Wohnhaus ist also irgendwann zwischen 1770 und 1825 gebaut worden. 1821 ff von Dortenthon ?

1767 wird bei der Vergabe/Verpachtung von Festungsgelände (Groger Band I S. 540 ff) für dieses Areal ein Hauptmann von Thiesenhausen genannt.

In beiden verfügbaren Bürgerlisten von 1816 und 1822 fehlt der Name Dortenthon (so die korrekte Schreibweise) Dieser taucht 1821 erstmalig im Peitzer Traubuch auf. Friedrich Wilhelm Dortenthon (*1781), Tuchscherer aus Sachsen (wahrscheinlich Schneeberg) heiratet am 24.10.1821 hier in Peitz Joh. Charlotte Louise Schrebler, Tochter des Carl Heinrich Schrebler (*1765-1834) – Tuchmachermstr. in Peitz .

Ist er zu diesem Zeitpunkt Besitzer dieses Grundstückes ?

Der Blick ins besagte Kirchbuch ist an sich schon eine Herausforderung und zeigt leider auch nur kurz und knapp die Trauung an:

Quelle: Kirchbücher d. Mormonen – Peitz – Trauungen

Copuliert (Heiraten) 1821

Nr. 21 24.8br. / Jgs. Friedr. Wilh. Dortenthon Tuchscher. / Jgf. Joh. Charl.Louise Schrebler

Zwischen 1822 und 1839 werden hier die 5 Kinder dieses Paares geboren und sicherlich auch aufgewachsen sein:

Friedrich Wilhelm Adolf *1822 später Tuchmachermeister
Charlotte Pauline * 1828 (oo 1848 nach Lübben)
Caroline Auguste Louise *1829 (oo 1854 nach Calau)
Caroline Ernestine * 1835
Gustav Adolf * 1839 (oo 1872 nach Spremberg)

Alle besuchen hier in Peitz die Stadtschule (Schulgasse- Markt Richtung Malzhausbastei).

1840/45 Blick in Richtung Innenstadt vom Kreuzungspunkt Cottbuser Straße / Dammzollstraße, Quelle: Buch – Iris Berndt „Märkische Ansichten“

Diese Zeichnung von G.Kiesel (atwa um 1845) ist ein wahrer Glücksfall, zeigt sie doch bildlich die bauliche Situation, wie wir sie aus dem oberen Kartenausschnitt kennen. Rechts im Vordergrund haben wir das Wohnhaus des Friedr. Wilhelm Dortenthon und mittig den späteren Postplatz/Jahnplatz.

PS: Der Zeichner Gottfried Kiesel lebte mit seiner Familie von 1840 bis 1850 hier in Peitz, als Königlicher Steueraufseher. Ob er einfach das Zeichnen liebte oder es in Peitz keine Steuersünder gab, und somit viel Freizeit war, bleibt ungewiß. Er hinterläßt aber mind. 10 Ansichten von Peitz, die, meines Wissens nach, die ältesten Darstellungen der Peitzer Innenstadt zeigen und schon deshalb als besonders wertvoll einzustufen sind.

1855 verstirbt Friedrich Wilhelm Dortenthon hier in Peitz als Tuchscherermeister

Quelle: Kirchbücher d. Mormonen – Peitz – Sterberegister

Ab 1855/59 übernimmt/erbt der erstgeborene Sohn Wilhelm jun. das Grundstück. Er ist Tuchmacher, später Tuchmachermeister und wird 1873 auch als Schankwirt bezeichnet (als Taufpate seines Neffen Friedrich Wilhelm *1873).

Ca. 1855/60 heiratet Wilhelm Dortenthon seine …………… ? (Trauung bis dato (2023) nicht gefunden)

Das Wohnhaus wird ausgebaut/ erweitert, da zu dieser Zeit (1864) 4 Lehrlinge genannt sind (Quelle: F.Bange-Peitz)

Mitwohner: Giesel, Gustav – Stadtmusikus (* – )

Quelle: Urkatasterkarte 1863 – F. Knorr

Dieser Kartenausschnitt von 1863 bestätigt und ergänzt die nun vergangenen 34 Jahre seit 1829. Noch immer wird als Eigentümer Dortenthon genannt. Die Parzellennummern 57 und 58 sind noch immer mitgeführt. Die Einmündung der Dammzollstr in die inzw. ausgebaute Cottbusser Straße (173) zeigt sehr schön den Beginn einer Freiflächenbildung (159), die dann Jahre später „Postplatz“ genannt wird.

Wohnhaus mit Umfassungsgrundstück hat jetzt die Flurnummer 160 und der gesamte Garten die Nummer 161.

Gedanken:

Als 1926/27 die Hausnummernvergabe der Dammzollstraße neu entschieden wurde, war man sich vielleicht noch nicht sicher, ob das große Wohnhaus rechts auf dem Postplatz nicht letztendlich doch zur Dammzollstraße gehört/ gehören wird!

Im Adressbuch von 1927 findet sich keine Adresse „Dzstr. Nr. 1“ !

Garten und Wohnhaus bleiben im Besitz des Wilhelm Dortenthon bis ca. 1875. 1873 wird er als Schankwirt bezeichnet, hat seinen Job als Tuchmacher also an den Nagel gehängt. Er betreibt nun eine Schankstelle. Diese Schankstelle findet sich dann in der Adresse Postplatz 2 wieder. (siehe 1902)

Ca. 1875 möglicher Abriss des Wohnhauses , oder Basis des Wohnhauses Postplatz 2 da nun in den Folgejahren die Bebauungslinie Postplatz entsteht. Nummern 1 bis 3.

Quelle: Adressbuch Peitz – 1924

1880 1900 Postplatz 2

1902 Besitzerin: Raschick – Schänkerin – wohnhaft Postplatz 2

1924 – Besitzer: Zeidler, Otto – Schankwirt – Postplatz 2

ca.1930 – Umbenennung in Jahnplatz (jetzt Nummern 1 bis 4)

1938 – Jahnplatz 2 – Besitzer/ Eigent.: Kießling, Emma – Verkäuferin
Mieter: Zeidler, Otto Schankwirt

Postkarte vor 1908 (Ausschnitt), Quelle: Postkartensammlung Lutz Besse

Diese Ansicht vom Festungsturm zeigt den Postplatz (Jahnplatz) Nr. 1 – 4 vor 1908, wobei das große Wohnhaus (x) die Nummer 2, links davon die Nr. 3 und dann die Nr. 4 steht.

Quelle: Brandenburgviewer

Ein Blick auf die heutige Situation zeigt bekanntes und viel neues:
Noch immer kommen wir von der Dammzollstr über die Malxebrücke, flankieren linker Hand das (ehemalige) Schützenhaus, folgen der Dammzollstr. bis zum heutigen Jahnplatz, (vor 1930 – Postplatz). Etwa der rechte Flügel der heutigen Oase 99 sollte der Standort des alten Wohnhauses des Dortenthon gewesen sein.

Spätestens 1972 verschwinden alle noch sichtbaren Details, da im Zuge eines geplanten Schul-Erweiterungsbaues und einer Turnhalle auch die Nummer Dz.str. 2 abgerissen wird.

Ca 1975 fällt auch die Bebauungslinie Jahnplatz, um dem Neubau der Juri-Gagarin-Oberschule Platz zu machen.